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„Die Menschen brauchen Gemüse-Feng-Shui“

Gemüsewerft auf der Überseeinsel
Auf dem Asphalt des früheren Kellogg-Parkplatzes blüht und gedeiht es: In 450 Hochbeeten wachsen Gemüse, Kräuter, Obst und Hopfen heran. Betreiber ist die Gesellschaft für integrative Beschäftigung (GiB). Geschäftsführer Michael Scheer kümmert sich gelegentlich auch selbst ums Gießen. © WFB/Determann

Die Bauarbeiten für das neue Stadtquartier haben noch gar nicht richtig begonnen, da hat sich auf der Überseeinsel bereits einer der ersten Mieter angesiedelt: die Gemüsewerft. Menschen mit geistiger, psychischer oder seelischer Beeinträchtigung kümmern sich um die Pflanzen. Betreiber ist die Gesellschaft für integrative Beschäftigung (GiB). Geschäftsführer Michael Scheer ist überzeugt: Projekte wie die Gemüsewerft braucht die Stadt.

Die Überseeinsel gilt als letztes Sahnestück in der Gestaltung der Überseestadt. Der Investor hat Ihnen einen Teil dieses Grundstücks in Toplage überlassen. Wie kam es dazu?

Bei einer Veranstaltung bin ich mit Klaus Meier, dem Investor, ins Gespräch gekommen. Kurze Zeit später trafen wir uns an der Stephanikirchenweide in der Überseestadt, wo wir ebenfalls einen Stadtgarten betreiben. Klaus lief fünf Minuten lang über das Grundstück und sah sich alles an. Seine einzige Frage war: ‚Die Auberginen wachsen hier gut?' Ich sagte ja, dann fuhren wir zur Überseeinsel. Da zeigte er auf den ehemaligen Lkw-Parkplatz von Kellogg und meinte: ‚Den könnt ihr haben.‘ Das Ganze hat keine 20 Minuten gedauert.

Das scheint Sie beeindruckt zu haben.

Wir haben ein 2000 Quadratmeter großes Areal direkt an der Weser bekommen. Das ist für Unternehmen wie uns spektakulär! So ein Grundstück kriegt man alle zwei Leben nur einmal (lacht). Dass das geklappt hat, werde ich allen Beteiligten ein Leben lang nicht vergessen.

Hier beginnt die Entwicklung eines neuen, prestigeträchtigen Stadtquartiers und die Wahl für den ersten Mieter fällt auf ein Urban-Gardening-Projekt. Haben Sie so etwas schon einmal erlebt?

Nein, in der Szene der urbanen Agrikulturen ist dieser Vorgang einmalig. Das hat es in Deutschland und wahrscheinlich in ganz Europa noch nicht gegeben. Aber genau so sollte Stadtplanung unserer Meinung nach ablaufen. Grünflächen wie diese müssen in städtebauliche Prozesse verankert und von Anfang an mitgedacht werden.

Warum?

Weil extremes Wetter die Städte von morgen massiv bedrohen wird. Schon heute ist es in Großstädten an bestimmten versiegelten Stellen bis zu zehn Grad heißer als in der Umgebung, das ist viel zu viel, da kommt unser Stoffwechsel nicht hinterher. Wir müssen zusehen, dass wir hier städtebaulich gegensteuern. Mit unserem Projekt schaffen wir eine innerstädtische Grünfläche und sorgen für Biodiversität. Auf unserem Gelände brüten Möwen und Enten. Wir haben uns vorgenommen, dass coolste Insektenhotel Deutschlands zu bauen und wir siedeln vier Bienenvölker an. Wir sorgen für ästhetischen Genuss in einer Stadt, die sich zunehmend verdichtet und prognostisch immer weniger Grünflächen haben wird. Stadtmenschen haben jedoch städtebaulich ein Recht auf Naturschönheit.

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Welche Möglichkeiten der Teilhabe haben die Bremerinnen und Bremer an diesem Projekt?

Wir bieten die Gemüsewerft für kulturelle Veranstaltungen, Firmenfeiern oder andere Anlässe an. Ab April 2020 wollen wir dann an mindestens fünf Tagen in der Woche für Gäste öffnen. Wir planen eine Reihe von Tram- und Gartendinnern. In unserem Hopfengarten wird es Bier aus unserem eigenen Hopfenanbau geben. Speisen können wir regelhaft wohl ab 2021 anbieten. Dabei werden wir ein sehr radikales Saisonalitäts- und Regionalitätsprinzip verfolgen. Alles bio und für die meisten Erzeugnisse sollen Transport und Lagerhaltung überflüssig werden. Möglichst viel, was in unseren Produkten landet, kommt direkt aus dem Hochbeet.

Und wird es auch nicht verarbeitete Lebensmittel zu kaufen geben?

Natürlich. Wenn was übrig bleibt (lacht). Wie werden Gemüse, Kräuter und Obst verkaufen – von der Erdbeere bis zum Grünkohl. Direkt aus dem Hochbeet. Die Leute können ihre Karotten selbst aus der Erde ziehen, abwiegen und dann bezahlen. Auch die Kräuter können direkt geerntet werden: Einfach ran ans Hochbeet, Kräuter ab und rein ins heiße Wasser. Fertig ist der Tee. 

Das klingt nach einem ganz schönen Kontrastprogramm zum hektischen Stadtleben.  Meinen Sie die Menschen werden sich diese Zeit im Alltag nehmen?

Ja, denn das erleben wir immer wieder: Da kommen gestresste Leute, die nur 20 Minuten Zeit haben. Alles soll immer schnell gehen. Und diese Menschen bleiben dann immer länger als geplant. Man fühlt sich einfach wohl: Das ist wie Gemüse-Feng-Shui. Menschen brauchen diese Form von Energetik. Viele erkennen solche Dinge immer erst, wenn sie nicht mehr da sind. Deshalb hoffen wir, dass Urban Gardening kein Trend bleibt, der irgendwann wieder vorbei ist. Solche Projekte müssen einen festen Platz in der Stadtentwicklung bekommen. 



Zur Überseeinsel:

Auf der Südseite des Europahafens in der Bremer Überseestadt entsteht ein urbanes Stadtquartier. Die Vision: ein Ort, der Wohnen, Gewerbe, Kultur, Freizeit und Bildung verbindet. Mit viel Grün, wenig Autoverkehr und weitgehend CO2-neutraler Energieversorgung. Das Areal umfasst 41 Hektar in bester bremischer Lage, keine zwei Kilometer vom Marktplatz, dem Roland und den Stadtmusikanten entfernt. Diese Schlüsselposition macht die besondere Bedeutung der Überseeinsel für die Stadt Bremen und ihre Bewohnerinnen und Bewohner aus. Der erste Bauabschnitt erfolgt auf dem 15 Hektar großen Areal, auf dem Kellogg früher täglich 500 Tonnen Mais zu Frühstücksflocken verarbeitete. Investor für dieses Grundstück ist die Überseeinsel GmbH, deren Geschäftsführer Klaus Meier ist.

Autorin: Beata Cece

Weitere Informationen zur Überseestadt Bremen, Ansiedlung und Vermarktung erhalten Sie bei Dagmar Nordhausen, Tel. +49 (0)421 9600 252, dagmar.nordhausen@wfb-bremen.de, und Jons Abel, Tel. +49 (0)421 9600 613, jons.abel@wfb-bremen.de