Die GEWOBA Aktiengesellschaft Wohnen und Bauen ist das größte Immobilienunternehmen im Land Bremen. Vor 90 Jahren wurde es gegründet mit dem Auftrag: Die GEWOBA soll etwas gegen den großen Wohnungsmangel in Bremen unternehmen, und zwar mit dem Bau von Mietwohnungen für Angestellte und Arbeiter. Dieser Auftrag – formuliert Anfang der 1920er Jahre – ist heute wieder hochaktuell. Und deshalb engagiert sich die GEWOBA unter anderem in der Überseestadt mit dem Neubau von geförderten und frei finanzierten Mietwohnungen. Wir sprachen mit Manfred Corbach, Leiter Immobilienwirtschaft der GEWOBA, über das Engagement des Unternehmens "in Übersee".
Die GEWOBA hat – zusammen mit der Justus Grosse Projektentwicklung GmbH – das erste Projekt mit sozial-geförderten Wohnungen in der Überseestadt realisiert. Wie ist zu dieser Partnerschaft gekommen?
Für die Zusammenarbeit sprachen mehrere Gründe. Einerseits erfolgte die Grundstücksausschreibung für die Marcuskaje mit Rahmenbedingungen, bei denen klar war, dass wohl eher nur Partnerschaften die Themen der Ausschreibung lösen konnten: Es war der Bau von Wohnungen, aber auch eines Bürohauses gefordert. Weiterhin war die Errichtung eines Parkhauses vorgegeben. Es mussten also gleichzeitig unterschiedliche Themenstellungen in Einklang gebracht werden. Bei dieser Gemengelage konnten sowohl Justus Grosse Projektentwicklung GmbH als auch die GEWOBA ihre Stärken für die jeweiligen Themenfelder einbringen.
Weiterhin war eine Vorgabe des Senats, eine Erweiterung zum bis dahin hochpreisigen Wohnen in der Überseestadt zu schaffen. Das bedeutet, auch dem öffentlich geförderten Wohnungsbau einen Raum zu bieten, so dass sich die Überseestadt für weitere Einkommensgruppen erschließen würde.
Und letztlich war es eine Gelegenheit, die eigenen Neubauaktivitäten der GEWOBA aufzustocken, um noch mehr geförderten Wohnungsbau in Bremen schaffen zu können.
Gibt es Unterschiede zwischen den geförderten und den frei finanzierten Wohnungen?
Abgesehen von den Mietpreisen gibt es keine grundlegenden baulichen Unterschiede. Der frei finanzierte Bereich hat zusätzlich eine Tiefgarage – daran ist der Unterschied hauptsächlich festzuhalten. Wir legen sehr großen Wert darauf, dass öffentlich geförderter Wohnungsbau nicht mit einer minderen Bauqualität oder Wohnungsausstattung einhergeht.
Wie zufrieden sind Sie mit der Vermarktung der Wohnungen in der Marcuskaje?
Wir freuen uns über die sehr gute Nachfrage. Die Vermietung der öffentlich geförderten Wohnungen verlief sehr schnell; alle Wohnungen sind bewohnt. Und die Vermarktung des frei finanzierten Bereichs läuft ebenfalls sehr gut – bereits über 2/3 aller Wohnungen konnten innerhalb der ersten drei Monate nach Fertigstellung vermietet werden.
Es gibt GEWOBA-Mieter, die aus anderen Stadtteilen hierher gezogen sind, weil sich ihre Wohnungswünsche verändert haben und sie diese in der Überseestadt realisieren konnten. Aber auch viele neue GEWOBA-Kunden konnten wir durch dieses Angebot gewinnen.
Ein zentrales Vermietungsargument in der Überseestadt ist oft das Wohnen mit Weserblick. Warum funktioniert das Projekt auch ohne direkte Wasserlage?
Das „Vermietungsargument Wasser“ ist sicher nur eines von vielen, was für die Überseestadt spricht. Die Attraktivität der Überseestadt wird immer deutlicher, je mehr die einzelnen Bauflächen nach und nach entwickelt werden. Die Stadt Bremen trägt ein Übriges dazu bei, indem sie die öffentlichen Verkehrswege, besonders das Fahrradnetz, und Plätze weiter ausbaut.
Der Standort „Marcuskaje“ ist überdies sehr zentral gelegen, gut mit dem ÖPNV erreichbar und bietet dazu eine kurze Entfernung zur Bremer Innenstadt. Zumal das Preisgefüge eben auch Menschen anspricht, die nicht wegen des Weserblicks in die Überseestadt ziehen, sondern die vom Neubauangebot in Bremen Gebrauch machen.
Und zuletzt: Die indirekte Wasserlage wird durch eine gute Zugangsmöglichkeit zum Wasser und anderen Flächen kompensiert. Der Freizeit- und Erholungswert der Überseestadt „liegt vor der Haustür“, ein paar Schritte – und die Bewohner sind direkt am Wasser und der schön gestalteten Weserpromenade.
"Die Überseestadt ist für die GEWOBA ein Ort, der Spielraum auch für die besonderen Projekte bietet."
Manfred Corbach, Leiter Immobilienwirtschaft der GEWOBA Aktiengesellschaft Wohnen und Bauen
Die „Marcuskaje“ ist und bleibt nicht das einzige GEWOBA-Projekt „in Übersee“. Was steht noch an und wo ist die GEWOBA darüber hinaus im Quartier aktiv?
Die Überseestadt ist für die GEWOBA ein Ort, der Spielraum auch für die besonderen Projekte bietet. Als nächstes steht zum Beispiel das BlauHaus an. Gemeinsam mit der Blauen Karawane verwirklichen wir in der Überseestadt inklusives Wohnen, Leben und Arbeiten in einer dafür konzipierten Wohnanlage mit Werkstätten und Kindertagesstätte. So etwas gibt es bundesweit kein zweites Mal.
Außerdem werden wir das bei der Marcuskaje so erfolgreiche Kooperationsmodell weiterführen. Insgesamt handelt sich dabei um drei große Projekte, die wir mit verschiedenen Bauträgern entwickeln: die Hafenpassage, den Schuppen 3 und das Baufeld 10 der Hafenkante. Nach den bisherigen Planungen ist das ein Volumen von rund 450 neuen Wohnungen.
In Eigenregie plant die GEWOBA außerdem Wohnungsbau am Waller Wied. Hier möchten wir rund 100 Wohnungen für junge Menschen, Studenten, junge Familien und Single-Haushalte schaffen. Auch beeinträchtigte Menschen sollen hier ein Zuhause finden. Wir beabsichtigen, preisgünstigen Wohnraum in einem knappen Angebotssegment zu schaffen. Wie das aussehen kann und wird, darüber sind wir aktuell im Dialog mit einer Anwohnerinitiative und den politischen Gremien.
Warum engagiert sich ein Unternehmen wie die GEWOBA in der Überseestadt?
Die Überseestadt ist bisher eine Erfolgsgeschichte für die Stadt Bremen, an der wir gerne mitschreiben, und in die wir unsere Erfahrung einbringen können. Die GEWOBA steht in Bremen wie kein anderes Unternehmen für bezahlbares Wohnen und eine soziale Stadtentwicklung für alle Bürgerinnen und Bürger. Projekte wie die Marcuskaje und das BlauHaus vertreten diesen Ansatz auch in der Überseestadt.
Aber wir wollen auch unser Wohnungsangebot verbreitern, also neue Lagen und andere Wohnqualitäten in unserem Portfolio ergänzen. Dass das auch gelingt, sehen wir beispielsweise an den – für GEWOBA-Verhältnisse – bisher eher ungewöhnlichen Projekten Magellanquartier oder Stadtwerder.
Wo sehen Sie Nachholbedarf? Was fehlt, was könnte besser sein?
Je mehr Menschen in der Überseestadt wohnen, desto wichtiger wird für die Mieter die Ansiedlung von weiterem Lebensmittel-Einzelhandel sowie Aufenthalts- und Spielflächen für die Kinder und Jugendlichen. Das kennen wir auch von unseren anderen Standorten.
Grundsätzlich legt die GEWOBA in ihren zusammenhängenden Beständen großen Wert auf wohnortnahe Spielflächen. Wir bewirtschaften knapp 300 Spielplätze in Bremen und Bremerhaven und haben auch den Überseepark mit der Skate-Anlage finanziell unterstützt. Im Bereich der vorderen Überseestadt ist in Sachen Spielplätze und Aufenthaltsflächen für Jugendliche noch Luft nach oben.
Ein weiteres Thema für die Mieter ist der Verkehr. Die verkehrstechnische Infrastruktur der Überseestadt ist mit den neuen Straßen und der Buslinie sehr gut. Aber je mehr Wohnungen entstehen, desto mehr Menschen sind im Quartier mit Kindern, zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs. Einige Mieter sind bereits mit dem Wunsch nach einer Verkehrsberuhigung auf den manchmal schnell befahrenen Straßen an uns herangetreten.
"Wie schaffen wir in einem schnell wachsenden Quartier Wohnungen, die auch morgen noch benötigt und auf lange Sicht nachgefragt werden?"
Manfred Corbach, Leiter Immobilienwirtschaft der GEWOBA Aktiengesellschaft Wohnen und Bauen
Welche Herausforderungen gibt es bei einer Projektentwicklung in einem Quartier wie der Überseestadt?
Die Rahmenbedingungen sind im Wesentlichen gut. Es besteht überwiegend verbindliches Baurecht, das Gebiet ist sehr gut erschlossen und bietet noch ausreichend Platz für die aufwändige Baulogistik.
Die Herausforderung liegt eher in der vorausschauenden Planung. Wie schaffen wir in einem schnell wachsenden Quartier Wohnungen, die auch morgen noch benötigt und auf lange Sicht nachgefragt werden? In unseren bestehenden Quartieren ist das anders. Dort wissen wir ziemlich gut, welche Bedarfe es gibt und was bei den Mietern ankommt.
Wenn Sie sich etwas für die Überseestadt wünschen dürften, was wäre das?
Ich wünsche mir, dass die Überseestadt ein gefestigter, lebendiger Ortsteil von Bremen wird, der als Wohnstandort langfristig akzeptiert wird. Nicht nur in der Überseestadt, sondern in allen Quartieren, in denen die GEWOBA vermietet und baut, wünschen wir uns, dass die Bewohner der ersten Stunde und die Neuzugezogenen zu starken Nachbarschaften und Hausgemeinschaften zusammenwachsen. Gute Nachbarschaft ist Lebensqualität für alle.